Sonntag, 30. Oktober 2011

GAGA!

Liebe Leute, ich habe erstmals Delhi verlassen und bin doch vollkommen erschlagen. So etwas verrücktes, faszinierendes und zugleich nervenaufreibendes habe ich glaube ich nur sehr selten erlebt. Ich muss einfach sagen, es war absolut GAGA!

Marie und mich verschlug es auf unserer ersten Reise nach Amritsar, nord-westlich von Delhi direkt an der pakistanischen Grenze gelegen, Pilgerort der Religion der Seekhs (Golden Temple) und einziger Grenzübergang zwischen Indien und Pakistan.
Los ging es am Hauptbahnhof von Delhi und wie erwartet wurden wir auch gleich auf dem Weg zu unserem Gleis von einer Menschenmasse überrollt, die in die Holzklasse eine Zuges stürmte. Wir konnten uns nur schwerligst gegen die doch auf einmal ziemlich robusten Inder wieder nach oben schleppen. Das Bild des Zuges möchte ich euch selbstverständlich nicht vorenthalten, die Klischees müssen schließlich ausgiebig bedient werden :)



Voller Spannung erwarteten wir natürlich unsere eigene Zugfahrt, doch eigentlich war das alles recht unspektakulär, denn unser Zug glich einem zugegeben vielleicht etwas in die Jahre gekommenen InterCity samt Plumpsklo, aber war kaum gefüllt, weil wir für Inder quasi am Heiligabend gefahren sind, ich war sehr positiv überrascht.

Angekommen abends um 23h in Amritsar sah das Bild jedoch ziemlich schnell ganz anders aus, als überall nur noch dunkle Gestalten hinter Straßenfeuern saßen und uns jede Menge verlumpte Leute zum Hotel begleiten wollten, weil keine Rickshaw weit und breit zu sehen war, unsere Panik war uns glaub ich anzusehen :)) wie vom Himmel gesandt kam dann jedoch noch eine gelb-schwarz-gestreifte Rickshaw um die Ecke gebraust und hat uns durch diese wirkliche Geisterstadt zum Hotel gebracht. Unser Hotel war jedoch auch eine herbe Enttäuschung, wenn man allein nur an die gelben Eiterflecke und Schamhaare auf unseren Kopfkissen und Schuhabdrücke auf dem Bettlaken denkt.

Die Stadt Amritsar selbst war leider auch ein absoluter Albtraum! Viel unterentwickelter als Delhi, Infrastruktur kaum vorhanden, Menschenmassen auf den Straßen, überall Dreck, Staub und die Leute doch einiges aufdringlicher als in Delhi. Während man sich tagsüber nur im Schneckentempo über die Straßen bewegen konnte und die Abgase nonstop einatmete, wurden wir von den Leuten dort gekniffen, festgehalten, manche stellten sich uns in den Weg um etwas von uns zu bekommen usw, überall tritt man in Dreck, ich kann nur sagen, alles andere als nice!!! Es war heiss, der Dreck und Staub der Straßen heftete sich an jede Pore der Klamotten und jedes Haar. Ich hab auf jeden Fall schnell verstanden, warum die Touris dort nur in Autos an einem vorbeigekarrt wurden. Einen kleinen Eindruck der Straße vermittelt dieses Bild:


Absolut nervig waren auch hier besonders die Leute, die einem hinterherlaufen (an das Angestarre habe ich mich tatsächlich mittlerweile gewöhnt). Am schlimmsten waren hier diejenigen, die Fotos mit einem haben wollten. Sobald man zu einem ja sagte, stand eine Traube von 10 Leuten um einen herum und wollte auch mit einem posieren. So bescheuert das klingen mag, aber man fühlte sich fast wie ein Promi, der nen Bodyguard braucht, um mal in Ruhe gelassen zu werden. So krass hab ich das in Delhi nur ganz ganz selten erlebt.

ABER, wie immer hier, wird man reichlich belohnt. So stellt der Golden Temple der Seekhs quasi das Zentrum der Altstadt dar und da wir ja am Diwali-Abend ankamen, war dort einiges los. Die Seekhs erkennt man zunächst an ihrem Turban und langen Bärten, da sie sich, wenn streng gläubig, ihr Leben lang nicht die Haare schneiden. Ansonsten leben sie frei jeglicher Drogen und ernähren sich vegetarisch, daher ist die gesamte Stadt auch vegetarisch. Am Tempel angekommen fand man sich doch an einem Ort jenseits von allem, was man jemals gesehen hat, wieder. Nachdem wir, wie es sich gehört, unsere Haare bedeckt, Schuhe ausgezogen und Füße gewaschen hatten, ging es an diesen wahrlich magischen Ort. Unglaublich viele Pilger waren dort, schliefen auf dem weißen Mamorboden, es zischten immer wieder Feuerwerke am Himmel, das gesamte Gelände eingehüllt in Lichterketten, in der Mitte dieser vollkommen goldene Tempel, über allem eine wirklich magische Ruhe, wie man sie hier eigentlich nie erlebt. Seht selbst auf dem Video:






Angezogen von dieser Ruhe und der atemberaubenden Atmosphäre saßen wir tatsächlich noch bis 3h nachts wie auf nem Trip dort am Wasser, bzw. am Nektar, wie uns ein Guru erklärte. Hier baden nämlich die Gläubigen, um sich von körperlichen Beschwerden zu befreien. Unser Guru Maninder zeigte uns tatsächlich auch die folgenden Tage den gesamten Tempel, erklärte uns alles zur Religion und wollte uns tatsächlich auch bekehren, in dem er mit mir Diskussionen über die Abhängigkeit von KAFFEE anfing und wollte, dass ich im "Nektar" bade, in dem er mich dann höchstpersönlich abfeudeln und reinwaschen wollte. Ich habe dankend abgelehnt. Unser Guru hielt es außerdem für seine religiöse Pflicht, uns zu betreuen, und lauerte uns andauernd überall auf, SEHR GAGA!!! Ich war demnach sein Bruder, den er liebte, vollkommen auf nem Trip der gute Mann...

Am eindrucksvollsten war unsere Stippvisite im Inneren des goldenen Tempels, in dem Gläubige ihre religiöse Pflicht erfüllen. So kommt es, dass der Tempel 24h jeden Tag von Pilgern gewaschen, gefeudelt und poliert wird, man wird vom Gold im Tempel regelrecht erschlagen, während Pilger auf Leitern die Lampen putzen und sogar absaugen. Währenddessen beten um einen herum andere Pilger. Eine Mischung aus Disneyland, 1001 Nacht und nem ausgiebigen Ecstasy-Trip. Nebenbei klatschte uns dann auch noch ein Guru ne klebrige Mischung aus Zucker, Hefe und Butter in die Hände, was wir dann unter seinen strengen Augen mit unseren Händen verzehren mussten, ich dachte, mein krankes Huhn von letzter Woche kommt wieder hoch. Hier ein paar Bilder von außen, auch mit unserem Guru ;)





Weiterer Höhepunkt war natürlich unser Besuch des einzigen Grenzüberganges zwischen Pakistan und Indien, die sich ja bekanntermaßen zutiefst verabscheuen und daraus auch keinen Hehl machen (über Bemerkungen von Indern über Pakistanis könnte ich ein Buch schreiben, Terroristenpack und dreckiger Pöbel sind da noch die netten Ausdrücke). 

So kamen wir dann nach 30minütiger Todesfahrt aus der Stadt dort an und trafen auf ungeahnte Menschenmassen, die tatsächlich zum Grenzübergang pilgerten. Vorbei an völlig sinnlosen Sicherheitskontrollen, wo tatsächlich jeder einzelne durch nen Metaldetektor laufen muss, der unentwegt piept, aber weit und breit ist kein einziger Polizist zu sehen, der sich auch nur im geringsten darum scheren würde. Angekommen am Grenzübergang empfängt einen ein in der Mitte durch die Grenztore geteiltes Stadion, geteilt in Pakistanis und Inder. Auf indischer Seite tanzende und gröhlende Menschenmassen, Mädchen, die zu Slumdog Millionnaire-Musik tanzen und vollkommen abdrehen, inkl. Stadionanheizer. Auf pakistanischer Seite ein zweigeteiltes Stadion, getrennt nach Männern und Frauen (komplett verschleiert versteht sich, nix da mit Cheerleaders, jodelnden Miniröcken und Pom-Poms), recht übersichtlich besucht, dafür umso fanatischer "Pakistan"-gröhlend mit aberwitziger muslimischer Heulbojen-Mucke, absolut stranges Theater. Als Ausländer erhielten wir dann auch unsere VIP-Plätze und das Spektakel ging los, das eigentlich nur aus folgendem besteht: 

andauernder nationalistischer Stadiongesang, Ausgebuhe der gegenüberliegenden Seite, dann stampfen die Soldaten in ihren mehr als lächerlichen Uniformen wie 80er Jahre PC-Spiel-Männchen im flinken Hackenschritt an die Grenze, knallen die Tore auf und zu, schütteln unter Gegröhle und Gebuhe die Hände der Soldaten des Nachbarn, stampfen dann wie wild gewordene Stiere voreinander imposant her, wer wohl den besten Breakdance aufführen kann, die Menge kaum noch zu halten, tauschen dann Flaggen aus und knallen die Türe mit aller Wucht zu. EINFACH NUR VOLLKOMMEN GAGA! Als Ausländer vesteht man wahrlich die Welt nicht mehr, zögert zwischen Mitgegröhle und peinlicher Berührung von dieser mehr als suspekten Veranstaltung. Ich habe mir die Mühe gemacht, das Gaga-Prozedere im Wesentlichen zusammenzuschneiden:


Alles in allem aber sehr sehr intensive Erlebnisse, die uns da beschert wurden, die ich mit Sicherheit so schnell nicht vergessen werde. Leider auch dann unsere Rückreise, die mich dann wirklich an die Grenze des Ertragbaren brachte und die Stadt wirklich zur Vorhölle auf Erden machte. So hatte unser Zug leider geschlagene 6 Stunden Verspätung, das ergab dann eine Wartezeit am Bahnhof von 7h für uns. Leider verspätete sich unser Zug zusehends jede Stunde weiter, so dass wir vor Ort bleiben mussten unter brennenden Lagerfeuern aus Müll, Uringeruch, uns beobachtenden Menschenmassen, andauernd Leute, die etwas wollen, einen anfassen, Fotos machen wollen, wir waren einfach nur dreckig, verschwitzt und völlig am Ende. Ich wäre am liebsten einfach mal aufgestanden und hätte um mich gebrüllt. 

Aber wie ihr seht, ich bin zurück in Delhi. Als wir dann spät nachts, übrigens auch recht unheimlich und nicht grad ungefährlich, um 5h hier ankamen und uns der von meiner Gastfamilie organisierte Fahrer abholte, fühlte ich mich auf einmal wie zuhause, in einem Paradies der Sicherheit und Zivilisation, so schnell können sich Ansichten ändern :)) Angesteckt von so vielen krassen Erlebnissen planen wir jedoch schon die nächste Reise in 3 Wochen nach Varanasi, Pilgerstadt der Hindus am Ganges, inkl. Nachtzug-Fahrt, mein Panjabi-Herz wummert jetzt schon kräftig. Jetzt werd ich aber erstmal in die Heia springen, während um unser Haus herum ne Affenbande tobt, die hier schon seit heut Nachmittag rumläuft, ich sag euch, hier wirds jeden Tag mehr und mehr GAGA!

Montag, 24. Oktober 2011

Blut, Schweiss und Dreck!

Jaja, diese attention-seeking Überschriften verkaufen sich doch immer unglaublich gut. Jetzt ists ja aber auch schon nen Moment her, dass ich was geschrieben hab, und diese Woche hatte einiges in sich, also habe ich nicht zuviel versprochen!!! Alles positive und langweilige zuerst, das waren im Wesentlichen das Sightseeing und endlich Party Party!

Sightseeing

Sightseeing belohnt einen hier ja generell immer, einfach großartig, was teilweise so hinter dreckigen Mauern und Fäkalien-Geruch auf einen wartet...dass wir dabei wie immer eine Attraktion waren, muss ich glaub ich nicht mehr erwähnen, so dass wieder einmal zahlreiche indische Fotoapparate mit unseren Bildern durch die Gegend schwirren. Aber die Tempel, die Stille, wie in einer anderen Welt, ganz wundertoll! Falls es tatsächlich jemanden interessieren sollte, das sind der Reihe nach der Lotus-Tempel, Safdarjungs-Tomb und Humayuns-Tomb.









Letzte Woche Samstag sind wir dann auch noch mitten in eine Militärprozession geraten mit all den putzigen Soldaten, die mit uns posieren wollten, ganz großartig!



Die hätten wir allerdings auch anschließend gut gebrauchen können, denn als wir uns eine Rickshaw holen wollten, hielten gleich zwei an. Wir dachten, ey juppie, es war nämlich dunkel (und mit Straßenbeleuchtung is hier ja nich so doll) und wir standen direkt an einem verlassenen Park. Da die lieben geldgeilen Inder ja bei uns schon die Euro-Scheine ausm Hintern hängen sehen, sind die dann aber auch immer ganz besonders heiß auf uns. So kam es dann, dass besagte 2 Rickshaw-Fahrer sich vor unseren Augen um uns prügelten. Im ersten Moment recht amüsant, da die beiden doch recht hager und klein waren und tatsächlich mit geballten Fäusten aufeinander losgegangen sind. Ganz putzig. Marie versteht allerdings meinen Humor i.d.R. nicht und ist kreischend auf die Straße gerannt, Franzosen...wir sind dann in einer abenteuerlichen Aktion in die nächste noch fahrende Rickshaw gesprungen. Ich fands trotzdem ganz herrlich!

Party like a rockstar

Das fiel letztes Wochenende leider auch schon wieder flach. Wir waren zwar um 22h bereits munter angetrunken, allerdings aber auch die einzigen in der Bar.

Aber dieses Wochenende, oho Leute, OHO! Man muss hier nämlich tatsächlich in die 5-Sterne-Hotels gehen und das war doch sehr großartig. Wir hatten unseren eigenen Fahrer, der vorm Club auf uns die Nacht gewartet hat und uns glatte 8 Euro pro Person gekostet hat. Ein uralter, wenn auch herunter gekommener, Oldtimer aus den 60ern, vorgefahren auf dem roten Teppich, von lustigen Indern mit noch lustigeren Hüten (besonders, wenn man bereits etwas getrunken hat ;) ) aus der Tür geholfen und ins Hotel begleitet. Dort eine ellenlange Schlange, wobei wir dank Ausländer-Bonus an allen vorbei gewunken wurden. Ausländer sind hier nämlich pures Aushängeschild, ich war so glücklich über den Mittelpunkt, der mir eingeräumt wurde! Und dann fühlte ich mich endlich wie zuhause, es wummerte mal wieder Britney durch den mehr als stylischen Club, es gab frisches Bier und hübsche Menschen. Auf der Toilette wird einem dazu die Tür geöffnet, das Wasser zum Händewaschen auf angenehme Temperatur gebracht und die Hände mit Limonenhandtüchern abgetrocknet, ich würd mal sagen Hamburger Berg sucks! Also, zusammengefasst, es war großartig!

Aber wen interessieren schon gute Neuigkeiten! Ich weiss schließlich ganz genau, was ihr hören wollt, und zwar Geschichten von Verzweiflung, Blut, Tränen und Schweiss..sollt ihr haben :)

Verzweiflung:


Rickshaws: Die Rickshaw-Fahrer fangen an, mir gehörig auf den Geist zu gehen, weil man hier 24h von denen abgezockt wird. Mal können sie einem angeblich das Geld nicht wechseln, dann steigen sie mitten in der Fahrt (IM DUNKELN) aus und pinkeln neben das Gefährt und einer hat mich doch tatsächlich rausgeschmissen, weil ihm zuviel Verkehr auf der Straße war. Dummes Pack!!! Da lobe ich mir meinen morgendlichen Stamm-Fahrer, seinen Namen hab ich allerdings bis heute noch nicht verstanden.

Dreck und Gestank: Meine Kleidung werde ich wegwerfen können, wenn ich nach hause komme, siehe ihren Zustand noch 4 Wochen, weil die durch Handwäsche und den ganzen Dreck hier vollkommen dahin ist. Wenn man ein weißes Hemd anhat ist es abends komplett grau durch Smog, Dreck und Staub. In meine Lunge will wohl niemand gucken.

Der Lärm-Pegel: geht einem mittlerweile furchtbar auf den Geist. Den ganzen Tag Gehupe, bellende Straßenhunde, schreiende Inder, man kann es sich wirklich nicht vorstellen!

Blut:

Dank eines die Rickshaw von der Kreuzung drängelnden Busses habe ich mir bei der Fahrt heute das Knie aufgeschlagen, als der Fahrer eine Vollbremsung vor einem ihm entgegenkommenden Auto machte. Hätte also auch schlimmer kommen können ;)

Tränen

Ich hatte MÄUSE in der Wohnung. DREI! Es handelte sich dann allerdings um äußerst lachende Tränen, da ich hier zum Gespött wurde, weil sich alle über mich lustig gemacht haben. Der "Diener", wie sie ihn hier so nett nennen, hat die dann allesamt mit der Hand eingefangen. Seitdem ist jetzt auch mein Loch (ja, von Fenster kann nicht wirklich die Rede sein, da es komplett nach draußen offen WAR, weil ohne Fensterscheibe) in meiner Küche mit einer Plastikplane abgedichtet. Wohnst du noch, oder lebst du schon?

Schweiss

Bei der Arbeit wartet auf jeden Fall seeeeeeehr viel Arbeit auf mich...aber eigentlich war es nicht ich, der geschwitzt hat, sondern der arme arme Fahrrad-Rickshaw-Fahrer. Die Tochter der Familie meines Hauses hat mich abends auf einen Diwali-Markt mitgenommen, entspricht ungefähr unseren Weihnachtsmärkten, da Diwali, das hier nächste Woche stattfindet, sowas wie deren Weihnachten ist. War ganz großartig, schöööööööööööööne Sachen zum Einkaufen. Für die Rückfahrt fanden wir allerdings nur eine Fahrrad-Rickshaw. Ich hatte mir geschworen, so ein Ding niemals zu benutzen, v.a. bei dem lebensgefährlichen Verkehr, aber what to do!? Der arme Schlucker hat dann auch die Hälfte der Fahrt die Rickshaw angeSCHOBEN, weil der dicke Europäer zu schwer war. Mir tat das alles so furchtbar leid. Und dann hat der für die 20 Minuten Fahrt auch nur 30Cent verdient und mich bis zur Wohnung angebettelt, während meine Begleitung ihn eindeutig zum Kusch-Machen aufgefordert hat.

So, und nun zu meinem Verzweiflungs-Blut-Tränen-Schweiss-Höhepunkt: ich hab mir irgendein verfaultes Hähnchen eingefangen und lag die letzten 2 Tage im Koma und konnte mal garnix mehr, vollkommen am Ende, bereit, von dieser Stadt verspeist zu werden. Die Details sind grausamn und erschreckend, daher gibts diese auch nicht. Ich bin allerdings langsam wieder auf dem Weg der Besserung.

Muss ich auch, denn von Mittwoch bis Freitag gehts auf große Reise mit dem Zug nach Amritsar an die pakistanische Grenze mit noch tolleren Tempeln und Militärwettkämpfen an der Grenze mit den Pakistanis...die darf man sogar, wie die Inder das auch tun, lauthals anpöbeln, ich bin hocherfreut! Man stelle sich das mal an der deutsch-französischen Grenze vor, das wär ein Spaß!! Die marschieren dann quasi voreinander her und gucken, wer das größte Gewehr hat...also die tollste Parade, jeden Tag, vollkommen bekloppt! Viel gespannter bin ich allerdings schon auf die 8stündige (d.h. in der Praxis wohl 12stündige) Zugfahrt, nachdem allein der Akt, dieses Ticket zu kaufen, schon ein fast unmögliches Unterfangen war. Somit haben wir auch noch immer kein richtiges Rückfahrt-Ticket und stehen auf ner Warteliste, die am Zug aushängt, es darf lustig werden. Zumal ja bekanntlich Diwali ist, heisst Reisehöhepunkt des Jahres der Inder, und wir uns in der religiösen Hauptstadt der Sikhs befinden. Wenn ich da einmal meinen Lonely-Planet zitieren darf:

"Train services to certain destinations are often increased during major festivals or other peak travel periods. Be especially careful during these times as there have been reports of passengers being crushed to death on overcrowded platforms."

Ich bin auf jeden Fall ganz wuschig auf diese Reise. Und um diesen viel zu langen (sorry) Beitrag nun abzuschließen noch mein magischer Indien-Moment der Woche. Als wir auf dem nächtlichen Heimweg von unserer Party waren, kein Auto unterwegs, kein Lärm und Gehupe, ein klarer Sternenhimmel über uns, lief plötzlich ein rundum geschmückter und bemalter Elefant an uns vorbei, wie in einem Traum :) der Fahrer hat gleich angehalten, wir raus, es war ganz großartig und ich hab mich mal wieder dran erinnert, warum das ganze hier doch so furchtbar großartig ist! Die Stadt kann einen 24 Stunden nerven, aber es genügt wieder ein kleiner Moment und man ist wieder in love!

Freitag, 14. Oktober 2011

Indian Belly-Dance

Jap...der Delhi-Belly...oft erwähnt und immer voller Hochmut und Arroganz geprahlt, dass ich putzmunter bin. Ich möchte dazu nun gerne sagen: PUSTEKUCHEN! Pünktlich zu Beginn der Woche hat es mich erwischt und ich bin immernoch etwas fiebrig. Seitdem schreit mein Magen geradezu nach deutschem Essen. Bei jedem Stück indischem Essen, jedem Hauch von Koriander, Zitronengras, unergründlichen weiteren Gewürzen und diesem ewigen fettigen Fladenzeugs ächzt meine Magenschleimhaut und sagt, sie möchte heim zu Kartoffeln, Kohl und nem triefend blutigen Steak...mit Sour Cream bitte...und einem Salat, einer dicken Scheibe Tomate, Balsamico-Dressing bitte nicht vergessen. Als wäre das noch nicht genug geben die einem tatsächlich bei jedem Essen in einem kleinen Säckchen noch 2 - 4 geschälte Zwiebeln und Chillisauce mit, wohl zum Nachwürzen....ich empfinde das als Provokation!

Ja, meine Magenschleimhaut scheint anspruchsvoll zu sein und somit musste ich mich die ganze Woche mit fiebrigen Anfällen bei mehr als 35C zur Arbeit quälen. Aber ihr wisst ja, Männer sind generell, was körperliche Beschwerden angeht, ein Mitleid erregender Haufen, daher möchte ich euch auch garnicht länger quälen. Denn dank Antibiotika, die man hier für 2 Euro an jeder Ecke ohne Rezept bekommt, geht es mir auch schon wieder besser. Zumindest glaub ich das, was das für Zeugs ist, weiss ich nämlich garnicht so genau...aber hey, ein Experte von Paracetamol-Vergiftungen kann damit jetzt sowieso schonmal umgehen.

Also genug von Krankheit. Wobei noch nicht ganz. Ich möchte noch einmal auf die fiebrigen Anfälle hinweisen. Zunächst hat sich wieder einmal das männliche Geschlecht, befallen von Hypochondrie, bei mir durchgeboxt und ich hatte eine gewisse Sorge, dass mich das Dengue-Fieber (auch Knochenbrechergrippe genannt) befallen hat, da ich alle entsprechenden Symptome hatte und man wirklich fast jeden Tag von Indern und auch von den Deutschen davor gewarnt wird, scheint eine regelrechte Epidemie hier derzeit zu sein. Ich kann mich allerdings noch bestens bewegen und habe es wohl VORERST - ohne aus Hochmut zu sprechen - nicht bekommen.

Stattdessen hatte ich deliriumsähnliche Erlebnisse nachts, ich dachte ich bin nun vollkommen irre, auf einem Trip, völlig außer Rand und Band...denn seit 4 Tagen (oder Nächten) zieht hier ein Umzug durch meine Straße um Punkt vier Uhr nachts....Frauen, die sehr schrill singen, und Männer mit Trommeln. Völlig verschwitzt dachte ich, es mit mir zuende, aus die Maus, gefangen im hinduistischen Fieber-Nirvana. Scheint aber tatsächlich stattzufinden, ich glaube es zumindest. Was der ganze Humbug soll weiss ich allerdings nicht.

Zumindest konnte ich aber diese Woche in der Regel recht früh schlafen gehen, da wir durchgehend Stromausfälle haben,die i.d.R. 1-2h anhalten. Da dann auch die Klimaanlage nicht mehr geht ist das so semi-schön. Und abends im Dunkeln sitzen ohne Kerze auch nicht...die sollteich mir übrigens mal zulegen.

Aber eigentlich wollte ich mich garnicht beschweren, denn abgesehen von diesem ganzen Tohuwabohu ging es mir diese Woche wunderprächtig. Da ihr aber zum Lesen glaub ich mal ein paar Bilder zur Abwechslung braucht, gebe ich dem Volk, was es will. Ein paar Fotos von meinem Viertel, meinem Everyday-Life, meinem Catwalk unter vielen neugierigen Augen, meiner Heimstätte für Einkäufe und tägliche Bedürfnisse. Und drauf zu der famose Rickshaw-Stand (ich glaube übrigens, ich kauf mir so'n Ding für Hamburg, das lässt sich mit Sicherheit praktisch zusammenklappen). Ich meine mit Rickshaw übrigens das Ding mit Motor, die Fahrrad-Rickshaws reißen sich zwar immer um mich und es ist viel billiger, aber ich hätte viel zuviel Mitleid, die bei dem Wetter auch noch so einen europäischen Klops durch die Gegend fahren lassen zu müssen.


Apropos Rickshaw, und nun kommen wir zu den amüsanteren Dingen. Ich bin mittlerweile scheinbar im Viertel bekannt und ich habe nun meinen eigenen Rickshaw-Fahrer jeden Morgen,der pünktlich um 8 auf mich an der Straßenecke wartet. Dabei haben wir einen festen Preis von 1,20 für die 30minütige Fahrt vereinbart. Ein Inder würde wohl 10Cent weniger bezahlen, aber unter diesen Preis bin ich noch nie gekommen, ich geh wohl noch nicht als Inder durch...aber egal, ich hab meinen Fahree :) er redet zwar nicht, trägt Turban und langen geringelten Schnauzbart, verliert im Rennen mit den anderen Rickshaws auf der Straße zwar auch regelmäßig und hat eine indische Frau mit dickem Nasenohrring als Poster auf der Rückbank hängen, aber ich bin glücklich. Irgendwann werde ich ein Foto von uns machen, wenn das Eis zwischen uns geschmolzen ist!

Als wenn das noch nicht genug wäre ist das Praktikum auch weiterhin ein Traum. Unglaublich interessant und die Kollegen sind furchtbar nett. Sie haben sogar extra für mich eine Geburtstagstorte inkl. Beschriftung für mich bestellt und mir ein Ständchen gesungen. Das Afghanistan-Projekt ist zwar unglaublich umfangreich und ich fühle mich an stundenlange Recherche- und Lesearbeiten zu Zeiten meiner Magisterarbeit zurückversetzt, aber es bringt Spaß und ich habe bereits erste Interviewpartner.

Zu guter Letzt nun aber noch einmal eine kleine Moral: eine andere höchst merkwürdige Sache  ist ja, wie bereits auch schon erwähnt, dieses Klassending hier. Ich war gestern schon wieder enorm verstört, als die Tochter der Familie bei mir klopfte und fragte, ob der "Servant", also ihr Diener, mein Essen vom Vorabend, das ich in den Mülleimer geschmissen habe (es war mal wieder zu scharf für meinen Delhi-Belly) essen dürfte. Das sind wieder so Momente, wo man sich eigentlich echt schämen müsste und merkt, wie glückselig wir in unserer Wegwerfgesellschaft leben und das alles auch noch als selbstverständlich hinnehmen. Der Servant wohnt bei uns unten im Haus, ich zweifle daran, dass er weit über 18 ist und er erledigt quasi alles von Putzen, Kochen, Hund ausführen etc., wie eine Haushälterin bei uns eben auch. Ich war dann ein bisschen nachdenklich gestimmt, aber er kennt es warscheinlich auch nicht anders. What to do? Abgesehen von ein bisschen Tringeld ab und zu bleibt mir ja nix anderes übrig, als nett zu ihm zu sein und ihm alles Gute zu wünschen.

So, mit diesem hoffentlich beklemmenden Eindruck lass ich euch auch nun in Ruhe und freue mich nach sehr langen wöchentlichen Arbeitstagen und bettlägerigen Zuständen diese Woche auf ein famoses Wochenende inkl. indischem Indie-Rock-Bootie-Swing. Nicht zu vergessen ein deutscher Grillabend in der deutschen Handelskammer mit deutschem Bier, Hallelujah!!! Fühlt euch gedrückt und schwingt am Wochenende fleißig den Delhi-Belly!!!

Montag, 10. Oktober 2011

It's my party and I'll cry if I want to...

...doch so weit kam es glücklicherweise nicht. Im Gegenteil, ich hatte einen sehr schönen Geburtstag, der mich nach den vorherigen Tagen, an denen mich die Stadt doch ein wenig angenervt hat (siehe letzten Post), doch wieder sehr mit Delhi versöhnt hat.

Punkt 1: Marie war so nett und hat mir eine Schwarzwälder Kirschtorte zum Geburtstag geschenkt. Sie bestand zwar eigentlich nur aus Sahne und Zucker und es befand sich original eine Kirsche darin, sprich, sie war ziemlich widerlich und zudem die DRITTE, die ich diese Woche auf Grund von Geburtstagen bei der Arbeit essen musste. Aber ich hatte ehrlich gesagt auch garnichts anderes erwartet, als sie mich noch so unangebrochen auf perverse Art und Weise glänzend aus der Verpackung anstrahlte, und war daher doch über die Geste sehr glücklich :)

Punkt 2: Meine erste Delhi-Metro-Fahrt. An jedem U-Bahn-Eingang wird man, selbstverständlich, wieder auf Bomben gecheckt und Fotos sind auch verboten. Daher konnte ich auch leider leider leider keine Fotos machen! Unsere Hinfahrt war nämlich durchaus mehr als überraschend positiv ausgefallen, alles sehr sauber, klimatisiert, davon könnte sich der HVV was abschauen. Leichter Wehmutstropfen war mal wieder, dass scheinbar in dem Moment, als wir in den Wagen stiegen, jegliche Unterhaltung unterbrochen wurde und wir von vielen weissen Augen angeSTARRT wurden. UND Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall, denn auf der Rücktour war die Bahn so unglaublich voll, dass die Polizei alle Mühe hatte, die Männer davon abzuhalten, in den Frauen-Wagen (ja, den gibts :) ) zu stürmen. Der Rest der Wagen war so prall gefüllt wie eine Rolle grobe Leberwurst. Ich sah eigentlich nur noch Hände und Köpfe an den Scheiben. Wenn ihr euch jetzt noch dazu vorstellt, dass uns natürlich auch hier die Masse wie blöd angestarrt hat (und das ist wirklich nicht übertrieben), könnt ihr euch vorstellen, wie wir nach einem starken Hauch von Platz- und Verfolgungsangst verstört aus der U-Bahn-Station stürmten. Im Rickshaw-Käfig reist es sich doch wirklich besser. (Abgesehen vom Moment, in dem ein Linienbus unsere Rickshaw rabiat von hinten anschubste und vor sich her schob, weil unser Fahrer anscheinend die grüne Ampel übersehen hat, felt like Autoscooter)

Punkt 3: Endlich Sightseeing, endlich ein bisschen Touri spielen. Also sind wir zunächst zum India-Gate (in etwa der Triumphbogen der Inder) und später gegen Abend zum Connaught Place gefahren, ein riesen Platz umgeben von weißen kolonialen Gebäuden, wo sich dann so höchstkulturelle Dinge wieMcDonalds und Levis-Läden verstecken. Viel interessanter als irgendwelche Monumente hingegen waren unsere Begegnungen mit den dortigen Indern, bzw. für sie waren WIR die Hauptattraktion. Dass man immer angestarrt wird habe ich ja nun schon zur Genüge erwähnt, aber diese Erfahrung hat alles getoppt, was mir jemals begegnet ist. Wie ihr wisst, liebe ich nichts mehr, um blöd rumzustehen und zu posen. So stand ich dort 10 Sekunden, innerhalb derer sich um Marie und mich eine Menschentraube von ca. 20 Personen gebildet hat, die Fotos und Videos von uns machten, mit dem Finger auf uns zeigten und lachten. Im ersten Anflug von Panik versuchten wir natürlich, aus der Manege auszubrechen, doch das war nicht so leicht, da jeder von uns 3 bettelnde Kinder hatte, die uns festhalten wollten und uns Schmuck andrehen wollten, während hinter uns die ganze Zeit ein Mann lief, der wie wild Seifenblasen auf uns pustete, die ganze Meute Inder dann hinter uns her. Hätte nur noch ein Dressurleiter gefehlt und wir hätten akrobatische Übungen aufgeführt.

Wir brauchten dann eine Weile - Marie aus Panik, ich auf Grund eines nicht aufhörenden Lachkrampfes - um uns zu sammeln, aus der Situation zu lernen und das ganze mit Humor zu nehmen. So standen wir ca. eine halbe Stunde am besagten India Gate und posierten mit den Indern auf Fotos, Marie wollte am Ende sogar Geld für Fotos haben, wobei ich das doch unangemessen fand...Nach der geplatzten Fotosession sind daher im nachhinein natürlich massig Fotos entstanden, die ich euch nicht vorenthalten möchte. Den Schweiss müsst ihr mir verzeihen, die 36Grad, der psychische Stress und die physische Anstrengung taten dem Poser-Outfit nicht gut...







So, ich hoffe, diese Bilder haben zu eurer Belustigung beigetragen! Getrieben durch diese Anzahl an Groupies, Bewunderern und Fans haben wir uns zum Abschluss des Abends noch großartiges Bier in einer Bar in der Defence Colony gegönnt, umgeben von Britney Postern und wummernder 90er-Jahre-Trash-House-Musik, ich war im Himmel. Und mit ein bisschen Bier intus bringt die Rickshaw-Fahrt gleich noch mehr Spaß.

Daher, so sehr ich euch auch insbesondere gestern vermisst habe, ich hatte einen schönen Geburtstag und bin nun seit dem letzten pessimistischen Beitrag wieder auf einer Welle der Glückseligkeit. Daher bin ich bereit für weitere Entspannungsübungen und freue mich auf die geplante Inder-Indie-Disco am Wochenende, wenn das mal nichts verspricht!

Samstag, 8. Oktober 2011

Schluss mit der Romantik!

Nun ist bald eine Woche seit dem letzten Eintrag vergangen und mein Delhi-Alltag hat begonnen...und damit auch so einige Eindrücke der ersten Tage verschoben. Aber von vorn.

Zunächst hat ja am Dienstag mein Praktikum bei der Friedrich-Ebert-Stiftung begonnen und ich bin sehr, sehr positiv überrascht und freue mich sehr auf den weiteren Verlauf! Die Stiftung liegt in einem kleinen Ruhepol in der Stadt, umgeben von wuchtigen tropischen Bäumen, bewohnt von reichlich bunten Kanarienvögeln, die vor meinem Büro (JA, meins, GANZ allein :) ) herumschwirren. Meine Kollegen sind unglaublich nett und ich werde die nächsten zwei Monate eine Studie zum Afghanistan-Konflikt erarbeiten bezüglich des indischen und pakistanischen Engagements im Land im Zusammenhang mit dem baldigen NATO-Truppenabzug, die sogar veröffentlicht werden wird, ich bin mehr als entzückt!

Die alltägliche Arbeit bietet mir doch gleichzeitig auch einige Einblicke in die Gepflogenheiten der Inder im alltäglichen Leben. Das beginnt damit, dass ich seit Tagen aufgefordert werde, ich sollte das Essen lieber mit den Händen essen, wobei ich mich weiterhin strikt weigere. Meine Abteilungsleiterin schaut mir daher beim Essen immer nervös auf den Teller wie eine Mutti, die ihrem Kind das Fleisch klein schneiden will. Aber irgendwann ist ja auch mal gut mit Integration, Assimilation und so weiter! Unterdessen wird bereits gewettet, wann mich der Delhi-Belly befällt, sprich ich ca. 3 Tage nicht aus dem Badezimmer komme. Eine Woche ist da schon ziemlich lang und ich bin noch stark und unglaublich stolz auf diese reife Leistung.

Ebenso stark zu beachten habe ich die Hierarchie, die auf dem Kastenwesen beruht, wobei ich mich damit noch nicht so richtig anfreunden kann. Zunächst einmal bin ich ja ohnehin ein Kastenloser. Heisst, ich stehe außerhalb der Gesellschaft und werde generell eigentlich auch nur nett behandelt, weil ich als Deutscher ja Geld habe (kosmopolitere, sprich reichere, und vor allem jüngere Inder schließe ich da mal aus). Führt allerdings dazu, dass man das Gefühl nicht los wird, ein ständiger Fremdkörper in dieser Gesellschaft zu sein. Das ständige Angeglotztwerden ist da nur ein Faktor unter vielen. Gleichzeitig fällt es mir doch schwer, die Arbeit der Leute, die aus einer unteren Kaste kommen, als völlig normal und angemessen hinzunehmen. Ich bin immer fürchterlich dankbar, wenn jemand etwas für mich macht, die Inder finden das allerdings anscheinend etwas - gelinde gesagt - merkwürdig. Als Europäer ist man manchmal recht unsicher, wie man mit der ganzen Geschichte umgehen soll.

Aber wie gesagt, dass Praktikum ist großartig, die Arbeit super interessant, das Team höchstsympathisch und das Klima topmotivierend. Gleichzeitig ist die Familie in meinem Haus wirklich unglaublich nett, hat mir am Donnerstag, als Feiertag war, sogar ein indisches Mittagessen zubereitet und ist mit mir auf das Diwali gegangen, sprich das religiöse Abschlussfest besagter religiöser Feste, auf dem diese wunderschönen Statuen, die ich fotografiert hatte, mitsamt anderen Figuren unter Feuerwerk in den Straßen verbrannt werden. Seht her:



Mit der Arbeit hat natürlich jedoch auch mein Alltag hier ein wenig begonnen und hat das Touri-Umhergelaufe und die Bewunderung des Fremden doch ein wenig abgelöst (wobei ich hier meine Begegnung mit den den Highway blockierenden heiligen Kühen und dem Elefanten auf der Straße ausklammern möchte :) ) und ich kann mir doch ein erstes, wenn auch nicht wirklich fundiertes, aber bodenständigeres Resumé erlauben. Und das fällt nicht mehr ganz so euphorisch aus. Die Stadt ist tatsächlich, bis auf die zugegebenermaßen zahlreichen Sightseeing-Punkte, unglaublich hässlich, das scharfe Essen ist trotz meiner Robustheit auf dem besten Wege, meine Geschmacksnerven abzutöten und meinen Magen zu verätzen und Cafés, bei denen man vielleicht mal draußen sitzen könnte und ein Buch lesen könnte, gibts nicht. Klar, weiß man auch irgendwie alles vorher, aber so ein paar kleine Zufluchtsorte für den schwachen Europäer hätte ich ja doch mal erwartet. Mit durch die Straßen schlendern à la Paris ist hier zumindest nix. Da heißt es: nimm die Rickshaw und friss die Abgase oder stirb! Hinzu kommen dann noch die andauernden Stromausfälle: allein gestern saß ich über eine Stunde in meiner Wohnung im Dunkeln...abends...das ist hier allerdings nichts außergewöhnliches.

Die, die meinen baldigen Nervenzusammenbruch jedoch erwarten, muss ich enttäuschen. Mein Bild von der Stadt ist jetzt vielleicht ein bisschen nüchterner und ich bin auf dem Boden der Tatsachen gelandet, aber es hat doch etwas für sich, die magischen Punkte dieser Stadt dann auch zu entdecken und Wert zu schätzen. So war ich mit Arbeitskollegen im Dilli Hat, einem Handwerks- und Kleidungsmarkt, für den man 10Rupien (als ca. 15Cent) Eintritt bezahlt und sich dafür ohne Menschenmengen und Gestank ganz großartige Dinge anschauen und zudem relativ nett essen kann (allerdings auch ziemlich scharf...). Dann habe ich die bei Ausländern berühmte Defence Colony entdeckt, ein Viertel mit einer Straße voll europäisch aussehenden Bars, einer Bäckerei und Restaurants, ein Lichtblick! Heute war ich zudem auf dem INA-Markt, einem der größten Märkte der Stadt, auf dem man alles finden kann, was man sucht. Um den Käse und das Bier kam ich dann auch nicht herum. Ansonsten sehr großartige Atmosphäre, die ich versucht habe, auf den Fotos ein wenig einzufangen. Da gabs frisch geschlachtete Hühner (das Geschrei hab ich immernoch in den Ohren), Kosmetikprodukte für den verwöhnten Europäer (inkl. Toilettenpapier, in einzelnen Rollen zu kaufen, herrlich! Üblicherweise benutzen die Inder ja das Plumpsklo, nen Wasserschlauch und nen Wassereimer) und indische Süßigkeiten (wobei mich das Hakenkreuz am Geschäft ein wenig verstört hat, das Symbol bringt jedoch in Indien - je nach Richtung, in die es zeigt - Glück).



Von dort aus wollte ich dann eigentlich in Richtung South Extension, einem recht westlich anmutenden Viertel mit Shopping-Malls, ZU FUSS gehen, wobei ich doch eigentlich wissen müsste, dass das keine gute Idee ist. Der Gestank hinter der meinen Weg begleitenden Mauer kam mir schon die ganze Zeit etwas störend vor, bis ich plötzlich neben einem völlig heruntergekommenen Viertel stand, in dem die Leute mich ein wenig verstört angeschaut haben und wo ich folgendes wunderschönes Foto schießen konnte.

Ich habe auf jeden Fall das Gefühl, dass ich diese Stadt doch ein Stück weit mehr verstehe als letzte Woche und dass ich das auch jede Woche aufs Neue behaupten werde. Und darauf freue ich mich schon sehr :) Die nächste Woche wird dann damit verbracht, nachdem ich mich doch ein wenig eingelebt habe, ENDLICH mal wirkliches Sightseeing zu betreiben und den touristischen Norden der Stadt zu entdecken, mich in mein Projekt zu stürzen und zum Wochenende hin dann auch mal das Nightlife ein wenig auszukundschaften. Ich kenne noch so unglaublich wenig von der Stadt und hab trotzdem das Gefühl, schon einen Monat hier zu sein. Das Leben in Delhi kann beginnen...und wer braucht schon Romantik!?

Montag, 3. Oktober 2011

Deeper and deeper in Delhi

So, ich habe das Gefühl, seit dem letzten Post ist schon wieder eine Woche vergangen, dabei sinds nur 2 Tage, crazy thing. Da die nächsten Tage dank des Praktikums zwar für mich auf jeden Fall interessant werden, es aber wohl erstmal nicht soviel neues zu berichten geben wird und ich nun endlich Ruhe und Zeit in meiner neuen Wohnung habe, nutze ich den Moment, um dem benötigten Ausflusswillen meines Gehirns Folge zu leisten.

Ja, ganz richtig, ich bin heute endlich in meiner Wohnung angekommen. Vom Viertel her ist es hier ganz anders und zwar viel ruhiger und gediegener mit schöneren Häusern etc. Die Wohnung ist für mich allein auch absolut ausreichend, sauber und bestens ausgestattet und die Familie, die nebenan wohnt und der das Haus hier gehört, macht auch einen enorm netten Eindruck. So wurde ich sofort mit einer indischen SIM-Karte ausgestattet und später gibts eine kleine Führung durch das Viertel. Ich genieße auf jeden Fall die Möglichkeit, endlich "meine eigenen" vier Wände zu haben und mich mal ein wenig auszuruhen.

Gleichzeitig muss ich sagen, dass es schon schade war, aus dem B&B auszuziehen, da mir der Hotelboy Shankar wirklich eine riesen Hilfe gewesen ist. Shankar schätze ich max. auf 30 Jahre, er ist 24h jeden Tag im Hotel, macht sauber, macht Frühstück und kümmert sich quasi um alles. In Kalkutta, also am anderen Ende Indiens, hat er seine Familie mit 3 kleinen Kindern, die er ein Mal im Jahr für 20 Tage besucht und der er sein gesamtes Gehalt jeden Monat schickt. Von Angehörigen anderer Kasten wird in der Regel ziemlich ignoriert, also nix mit Égalite, Fraternité und so.

Und auch mein gestriger Tag war auf recht krasse Weise durch die sehr deutlich zu Auge tretenden Klassenunterschiede hier geprägt. Zunächst ging es mit meiner neuen französischen Bekanntschaft Marie in ein riesiges Einkaufszentrum. Auf dem Weg dorthin mit der Rickshaw konnte ich mal einen kleinen Eindruck einer solchen Fahrt einfangen, in diesem Fall sogar auf einer Straße mit richtigem Bürgersteig (nebenbei, ich bin enormer Fan dieser Rickshaw-Fahrten geworden).


Kurz nach diesem Moment kamen wir dann im Einkaufzentrum an, dessen Dimensionen ich bisher nur aus den USA kannte. Von einem Moment auf den anderen komplett andere Welt. Dicke Mercedes' und BMW's, die in der Schlange stehen, bevor sie nach Bomben und Waffen durchsucht werden, um ins Parkhaus zu fahren, und der Sicherheits-Check-In für menschliche Wesen wie am Hamburger Airport. Einmal im Zentrum drin konnte man sich vor französischen, deutschen und amerikanischen Luxus-, Elektronik- und Kleidungsketten kaum noch retten. Publikum waren natürlich lediglich Europäer, Amis und gut betuchte Inder. Höhepunkt dieses Besuchs war dann schließlich die Begegnung mit einem Inder und einer Dame aus der Ukraine, die mich zu einem Casting zu einem Bollywood-Film einladen wollten (wobei ich glatt an die liebe Nina denken musste :) ). Mir erschien das wenig attraktiv zu sein.

Auf dem Rückweg hingegen standen wir dann in der Rickshaw im Dunkeln im Stau und sofort kamen die Bettler aus dem Dunkeln. Eine Dame barfuß mit Baby im Arm ließ leider auch nicht locker und versuchte durch Ziehen an Kleidung und Schuhen uns dazu zu überreden, ihr Geld zu geben. Allerdings sollte man solches Geld lieber an seriöse Organisationen spenden und wir haben ihr natürlich nichts gegeben, wobei wir von allen Seiten aus den Autos angestarrt wurden und die Dame mir dann zum Dank ins Gesicht hustete. Also wie gesagt, krasser hätte uns der Unterschied zwischen Arm und Reich an diesem Tag nicht unter die Augen treten können.

Zurück in unserem Viertel zeigte sich das Leben hier dann wieder von einer anderen Seite, als wir auf das bereits erwähnte Götterfest hinter dem Hotel gegangen sind. Unglaublich viel Lärm (oder auch Musik, ich bin mir noch nicht ganz sicher), SEHR viele Menschen, massig Essen, Spiele für die Kinder, eine tolle Atmosphäre! Solche Momente versöhnen einen dann aber immer ganz schnell mit dem kurzzeitigen Stress, den man hier ab und an hat. Hier zwei Eindrücke vom Fest vor zwei verschiedenen Statuen. Man beachte im zweiten Video den netten Soldaten mit Maschinengewehr auf seinem Türmchen. Vorher waren selbstverständlich auch wieder die Sicherheitskontrollen und Taschenchecks an den Eingängen angesagt. Aber seht selbst.


Marie und ich waren bei dem ganzen Spektakel selbstverständlich eine Hauptattraktion. Zwei junge Inder machten sich einen Spaß daraus, uns "vollkommen unauffällig" hinterher zu laufen und uns zu fotografieren. Wir taten daraufhin das gleiche. Ein anderes Highlight waren die vier indischen Studenten, die unbedingt Facebook-Freunde mit uns sein wollten, uns ihre Namen gaben und uns am liebsten um den Hals gefallen wären. Das Bestellen des Essens auf diesem Fest geriet dann auch zum Fiasko, weil niemand Englisch sprach und uns am Ende die versammelte Mannschaft der Küche ausgelacht hat...ein lustiges Volk sind die Inder auf jeden Fall und wir hatten einen großartigen Abend! So merkwürdig man oftmals beäugt wird, so nett sind die Leute dann auch auf der anderen Seite zu einem.


Und heute war nun der große Tag des Umzugs. Wie gesagt, ich bin sehr froh, endlich einen kleinen Rückzugsraum zu haben, und freue mich auch auf das Praktikum morgen. Allerdings fing das ganze schon wieder großartig an, als mein bestelltes Taxi nach einer Stunde immernoch nicht da war. Entnervt schnappte ich mir eine Rickshaw, die mit all meinem Gepäck besorgniserregend tiefergelegt wurde und es ziemlich schwer hatte, überhaupt vom Punkt zu kommen. Bei jedem Schlagloch in der Straße betete ich, dass bitte die Hinterachse dieses zärtlichen Fahrzeuges nicht brechen sollte. Aber wie ihr seht bin ich bestens angekommen. Irgendwie klappt hier doch immer alles, egal wie.

Samstag, 1. Oktober 2011

Delhi, here I come!

Seit meiner Ankunft gestern nach 15h Reise ist bei mir doch dank der Temperaturen um die 36°C tatsächlich ein wenig Urlaubsfeeling aufgekommen. Das Wetter ist also grandios, allerdings kam bei mir heute der Gedanke auf, dass ich mir vielleicht doch die Haare etwas radikaler abschneiden sollte, da ich hier doch NOCH viel mehr schwitze als bereits bei 20°C in Hamburg. Außerdem würde ich dann evtl. doch ein bisschen weniger angegafft werden und beim Verhandeln um den Rickshaw-Preis auch ein günstigeres Standing haben.

Neben dem Wetter muss ich allerdings sagen, dass ich mich doch trotz kulturellem Schock ziemlich fix hier eingelebt habe...oder besser gesagt eingeFÜHLT, auf jeden Fall schlägt der PanjabiMC-Beat schon ein wenig in meiner Brust. Aber der Reihe nach.

Gestern war ich doch ziemlich erschöpft, denn auf Grund undankbarer Plätze auf beiden Flügen war mit Schlafen nicht viel. Wie glücklich war ich, als ich am Flughafen in Dubai sofort einen "Paul" entdeckt habe (die Frenchies unter uns wissen, was ich meine :) ). Meine Fitness wurde jedoch trotzdem auf eine harte Probe gestellt, als aufm Flug von Dubai nach Delhi um 8h deutscher Zeit, nach indischer Zeit also halbwegs Mittags, drei verschiedene Currygerichte an Bord angeboten wurde. Ich habe dankend abgelehnt.

Angekommen in Delhi wartete auch schon mein netter Driver Sushil von der Stiftung mit meinem Namensschild auf mich, nachdem der indische Zollbeamte mich erst nach 5 Minuten durchlassen wollte, weil er meine Zeitschriften nach Bildern durchsuchen wollte. Zum Glück hatte ich ausnahmsweise nicht den Playboy dabei, so dass er mir meinen Spiegel und mein Abendblatt zurückgab, nachdem sich schon einige mit Verwirrung gefüllte Schweissperlen auf meiner Stirn gebildet hatten, mit dem Kommentar: "I like pictures very much. But these uninteresting. Don't understand french." Ähm ja... Seitdem habe ich mich bereits in das indische Volk verliebt.

Dann kam allerdings der erste Kulturschock, bzw. eher Traffic-Schock. Überall mind. 3spurige Straßen, wobei die drei Spuren in der Regel horizontal von 6 Autos gefüllt werden, die wie wild die lediglich optisch vorhandenen Spuren sinnlos wechseln. Nebenbei Menschen, Fahrräder usw., die die Straßen überqueren. Ampeln oder ernsthaft begehbare Bürgersteige sucht man hier übrigens recht vergebens, außer auf den großen Highways. "Klar", würde jeder sagen, "womit hast du denn gerechnet!?". Aber das mal persönlich mitzulerben war ein Happening für einen naiven Euro wie mich. Aber auf Sushil war Verlass und er hat mich sicher zu meinem großartigen Bed&Breakfast-Hotel gebracht. Trotzdem muss ich sagen, dieser Straßenlärm und das Chaos da draußen hatte mich doch ein wenig verstört und ich werde mich in Zukunft wohl nur noch mit der Rickshaw fortbewegen. Hier ein kleiner Eindruck der Situation vor meinem Hotel:




Da es leider ziemlich früh hier dunkel wird, geriet meine Suche nach einem Supermarkt leider zu einer Farce (siehe Verkehr im Dunkeln, kaum Straßenbeleuchtung und wie gesagt, kein Bürgersteig) und ich gab nach einer Stunde auf. Stattdessen bestellte mir der liebe Hotelboy eine stark gewürzte Indian-Style-Pizza für umgerechnet 2 Euro.

Und heute nun der große Tag: Discovering Delhi, bzw. finding the place to go, denn Orientierung habe ich hier bisher NULL. Zumal ich noch keinen richtigen Stadtplan habe, abgesehen vom Reiseführer, und auch nirgends etwas gesehen habe, wo es diesen zu kaufen gäbe. Erst ging es in die Bank, bewacht von zwei sehr netten, aber mit 2m-Gewehren ausgestatteten Sicherheitsbeamten, und schließlich, und dies ist mein persönliches Highlight von heute, auf meine erste Rickshaw-Fahrt (oder wie die Inder sagen "Tuk-Tuk") in meine zukünftige Wohnung. 5 Euro hin und zurück für ca. eine Stunde Fahrt inkl. gefühlter Nahtod-Erfahrung im Verkehr, wobei ich pro Strecke den Preis noch um 50Cent runterhandeln konnte, YAY!


Die Wohnung hat es mir auf jeden Fall durchaus angetan und die Leute im Haus sind sehr nett! Das Viertel ist ruhig, wirklich schön mit vielen Obst- und Gemüseständen und Märkten und gleich daneben ein schöner Tempel, buddhistisch oder hinduistisch, keine Ahnung. Hier ein paar Fotos meines Viertels.





Aber wie gesagt, mir gehts sehr gut nach diesem ersten Tag. Ich habe (nach langer Suche) einen Supermarkt gefunden (mit erstaunlicherweise ziemlich vielen deutschen Produkten UND BIER, yummy), die Inder sind wirklich sehr nett, die ersten Franzosen habe ich ebenfalls bereits beim Frühstück kennengelernt und die Terrasse des Hotels ist perfekt für eine spätnachmittägliche Lesestunde in der Sonne. Nach großartigem indischen Essen zeigte mir der Hotelboy dann auch noch ein hinduistisches Lichterfest gleich um die Ecke mit riesen Götterstatuen. Irgendeine Gottmutter hat auf jeden Fall Geburtstag. Morgen werde ich dann endlich etwas Sightseeing betreiben, Montag oder Dienstag in meine neue großartige Wohnung einziehen und Dienstag beginnt ebenfalls mein Praktikum. I am happy, but TODMÜDE. Also zusammengefasst:

Kulturschock: check
indisches Plumpsklo: check
Rickshaw-Fahrt: check
hinduistisches Fest: check
anfängliche Begeisterung: check

Delhi, here I come!